Wir wollen keine Ganztags-Schule
Erklärung der Havellandeltern aus dem Schülerladen Schmuddelkinder zu den Rhythmisierungsplänen an Havelland-Grundschule in Schöneberg
Schule allein macht nicht klug! Und auch nicht glücklich!
Wir wollen keine Ganztagsschule!
Natürlich könnte man sich eine Schule vorstellen, in der es für unsere Kinder wünschenswert wäre, den ganzen Tag zu verbringen:
Das müsste eine Schule sein, wo alle – Schüler und Lehrer – morgens gerne hingehen und nachmittags zufrieden und manchmal sogar begeistert nach Hause kommen und sagen: „Das hat Spaß gemacht“.
Denn Schule kann doch richtig viel Spaß machen:
- wenn man z.B. in einer kleinen Klasse unterrichtet (wird),
- wenn Lehrer Zeit haben, sich den Kindern auch individuell zuzuwenden,
- wenn Eltern an so einer Schule mitgestalten können,
- wenn Kinder wirklich mit arbeiten, mit entwickeln, mit entdecken dürfen und ihnen Verantwortung übergeben wird.
- Wenn die Schule ein Ort ist, in dem Kinder auch spielen dürfen. Und laut sein.
- Wenn es dort Bäume gibt, auf die man klettern darf.
- Wenn es dort Büsche gibt, in denen man sich verstecken darf.
- Wenn es einen Sportplatz gibt, den man auch benutzen darf.
- Wenn es einen Schulgarten gibt, in dem man etwas anpflanzen kann.
Der Alltag an den meisten Berliner Grundschulen aber sieht doch leider ganz anders aus:
Die Klassen sind viel zu groß zum entspannten, wirklichen Lehren und Lernen. Die Lehrer sind – nicht zuletzt durch die viel zu großen Klassen – nicht in der Lage, sich jedem Kind wirklich zuwenden zu können.
Eltern dürfen in der Berliner Grundschule vielleicht den Klassenraum streichen – wirklich mitgestalten und mitbestimmen sollen sie nicht.
Wegen der weiterhin viel zu großen Klassen und der vielen Unterrichtsausfälle an den Berliner Grundschulen arbeiten die Lehrer in dieser Stadt doch nur selten unter Lehr- und Lernbedingungen, die es ihnen erlauben würden, sich den einzelnen Kinder mit ihren individuellen Bedürfnissen wirklich zuwenden zu können.
Dazu kommen die großen Schwierigkeiten, vor denen Berliner Grundschulen u.a. bei der Integration von Kindern mit Migrations-Hintergrund stehen. Diese Probleme, die ihren Ursprung in einer verfehlten Sozial- und Wirtschaftspolitik haben, sind im schulischen Rahmen nur zu bekämpfen, wenn man bereit ist, in Schule wirklich zu investieren und das heißt an erster Stelle ins Personal.
Solange das nicht geschieht, werden viele gut gemeinte Reformansätze Stückwerk bleiben und die seit langem anhaltende Segregationstendenz an Berliner Grundschulen wird nicht aufzuhalten sein. Die Eltern, die den Verein Schmuddelkinder e.V. tragen, haben sich der Abwanderungstendenz anderer Eltern in „bessere“ Stadtteile und „bessere“ Schulen immer entgegengestellt und ihre Kinder bewusst auf der Schule im Stadtteil angemeldet.
Es waren u.a. Eltern und Erzieher der EKT Schmuddelkinder, die vor einigen Jahren (als ein gewisser Herr Hapel zunächst damit drohte, die Havelland- Schule zu schließen) gemeinsam mit der damaligen Schulleitung dafür gekämpft haben, dass die Havelland- Schule erhalten wird.
Nicht zuletzt aber, weil wir der Meinung sind, dass Schule – so wie sie heute ist – noch weit entfernt ist von der Schule, die wir uns wünschen, haben wir uns immer für die „o f f e n e Ganztagsschule“ Schule eingesetzt, nicht aber für die gebundene. Wir möchten das Recht und die Möglichkeit behalten, im privaten Rahmen – sei es in der Familie oder im Schülerladen – einen Teil dessen zu kompensieren, was Schule heute (noch) nicht leistet.
Wenn der Tag kommt, da nicht nur von Reformen im Schulbereich geredet wird, sondern Geld in die Hand genommen wird, um endlich sicher zu stellen, dass jeder Lehrer max. 18 Schüler zu betreuen hat (so wie in Finnland, beispielsweise), und wenn Schulen für Kinder endlich auch Lebensräume werden [statt nur Lern- und Beaufsichtigungsräume], dann sind wir bereit, am Projekt gebundene Ganztagsschule mitzuarbeiten.
Im Moment aber muss man mit Bertolt Brecht feststellen:
Die Verhältnisse, sie sind nicht so.
PS: Unsere Kritik an der Berliner Grundschule ist ausdrücklich keine Kritik am Personal. Sie ist vor allem eine Kritik an der Schulpolitik in dieser Stadt. Wir sehen jeden Tag, dass es sehr viele Lehrer und Erzieher gibt, die unter zuweilen extrem schwierigen Bedingungen einen harten und guten Job machen. Ihnen gilt unser Respekt und unser Dank.